Von der Liebe

Ich weiß, was sie meinten…

Ich weiß, was Louisa damals meinte, als sie sagte, sie habe in dem einen schwierigen Moment einfach nur mit ihm sprechen wollen. Er war der Einzige, dem sie ihre Einsamkeit anvertrauen wollte. Dieses tiefe Vertrauen, er würde sie nicht bewerten, stärkte sie und füllte die Sehnsucht, wirklich verstanden zu werden, aus. Man kann noch so stark sein, besondere Menschen lassen einen noch stärker werden. Er war in diesem Moment nicht da.

Ich weiß, was Irena meinte, als sie darüber klagte, sie so selten sehen zu können. Die Entfernung erschwert die Kommunikation und kann eine tiefe Kluft zwischen zwei Menschen treiben. Ihr ging es sicher nicht anders. Vielleicht fehlten ihr mehr die Berührungen, vielleicht war es ihr Lächeln, das sie am Meisten vermisste. Beiden blieb nur die Unsicherheit, ob die Liebe auch die Entfernung überwinden würde. Immer wenn Irena von ihr sprach, leuchteten ihre Augen vor Glück.

Ich weiß, was Ernesto meinte, als er sagte, er könne nicht nur eine Frau lieben. Es gäbe so viele tolle Menschen, die es sich lohne, kennen zu lernen, intensiv kennen zu lernen. Sex sei zudem die intensivste Form mit einem Menschen zu kommunizieren. Ihn fasziniere, diese tiefe Verbundenheit, die man nur beim Sex spüren könne. Er sei süchtig nach dem Gefühl der Nähe. Irgendwann würde man schon erkennen, wie und mit wem man alt werden wolle. Es sei aber wichtig, seine eigene Freiheit zu genießen.

Ich weiß, was Ben meinte, als er sich nicht ganz sicher war, ob er der Richtige wäre. Wie soll man das auch wissen. Ben erinnerte sich an die tiefen Schmerzen, die ihm ein Mann einst eingebrannt hatte. Die Wunden waren zwar inzwischen verheilt. Doch die Erinnerung an den Schmerz kann Zweifel wecken, ob man bereit ist, sich erneut zu trauen. Die Entscheidung war ihm überlassen, Ben wurde bisher nicht enttäuscht.

Ich weiß, was Elena meinte, als sie sich nicht mehr verlieben wollte. Als ihr all das Beziehungsgehabe leid war, weil sie zu lange an eine Lüge geglaubt hatte. Die Suche nach dem Glück kann furchtbar traurig sein. Sie lässt einen an sich selber Zweifeln und kratzt das Selbstvertrauen von den Schultern, diese erschlaffen. Vielleicht scheitert es an den eigenen Ansprüchen, vielleicht wird nicht gründlich genug gesucht und vielleicht, wartet die Liebe nur auf den richtigen Moment und die Sehnsucht kennt keine Geduld. Zwei Tage später ging Elena wieder mit einem Lächeln aus dem Haus. Sie wurde nach einem Rendezvous gefragt.

Ich weiß, was sie alle meinten, doch kann die Liebe doch so vieles. Sie kann dich erwischen. Sie kann dich erfüllen. Du kannst sie spüren. Sie ist Schmerz und Genesung, Freude und Kummer zugleich. Vielleicht ist sie auch pure Imagination. Sie kann erbarmungslos und gefühlvoll sein, sensibel und grausam. Sie kann sich schnell in ihr Gegenteil umkehren. In einem Streit stößt sie dich weg und danach nimmt sie dich wieder zärtlich in den Arm. Alles ist möglich…

Louisa, Irene, Ernesto, Ben und Elena, sie alle erzählten mir von demselben Phänomen. Ich weiß, was sie alle meinten, doch kann ich sie, die Liebe, immer noch nicht verstehen. Sie ist ein Phänomen ohne Grenzen, das jeden Mensch auf dieser Welt berührt. Für manche ist die Liebe ein Traum, für andere Realität.

Was machst du so?

Es ist die Small-Talk-Einstiegs-Frage Nummer Eins: Was machst du so? Eigentlich kann ich diese Frage nicht mehr hören. Sie erinnert mich immer wieder daran, dass ich etwas tun sollte und das, während sozialen „Happenings“, wenn ich von all dem Stress abschalten möchte, der mich im Alltag begleitet. Warum zum Teufel hat sich diese Frage als Gesprächseinstieg eingebürgert?

Manchmal kommt es mir vor, als wäre der Grund die Frage zu stellen, Teil des ständigen Vergleichens mit Anderen, des alltäglichen Wettbewerbs, zu sein. Ich fühle mich dann an eine Bewerbungsgesprächssituation erinnert, in der die Gesprächspartner wissen wollen, was in meinem Lebenslauf steht. Vielleicht sollte ich ab jetzt immer ein paar Kopien meines Lebenslaufes bei Partys dabei haben, um ihn auf die Frage einfach aushändigen zu können. Aber das würde der Sache nicht gerecht, weil auch diese Frage ein Einstieg in schöne Unterhaltungen sein kann. Wenn man sich nicht kennt, ist es zudem hilfreich eine Einstiegsfrage für Gespräche zu haben, als Absicherung. Wenn Interesse für sein Gegenüber besteht, entwickelt sich schon ein Gespräch. Wenn es schlecht läuft, spricht man halt eine Weile über das Wetter. Da hat jeder eine Meinung.

So lasse ich mich meist aus Neugierde auf das Small-Talk-Spiel ein. No risk, no fun, oder besser: No Small-Talk, no Talk at all. Grundsätzlich spricht auch nichts gegen diese Frage, denn sie interessiert sich für das Gegenüber. Sie will wissen, mit wem gesprochen wird und was diese Person mit seinem Leben anstellt. Zum anderen ist es eine sehr offene Frage, was dem Antwortenden die Möglichkeit lässt über alles zu sprechen, was ihn beschäftigt. Meist bleibt die Frage was-machst-du-so nur selten allein, sie wird verfolgt von der Frage und-danach. Small-Talk hinterlässt bei mir leider zu oft den Eindruck, dass er den Lebensplan Arbeitswelt zu stark in den Blick nimmt. Ohne Zweifel füllt das „Machen“ einen wichtigen Teil des Lebens der Meisten aus, doch lässt sich mein Leben (gottseidank) nicht nur auf mein Studium oder irgendwelche Praktika begrenzen. Ich habe Hobbies und Leidenschaften, denen ich meist lieber nachgehe als Texte für die Uni zu lesen. Ich habe Träume und Ansichten, aus denen ich neue Ideen schöpfe und die meine Zukunftspläne unentwegt umkrempeln. Es gibt so vieles: Was ist mit Freunden, Familie und Kindern? Was ist mit Genießen und Reisen? Was ist mit all den Lebensplänen, die nicht gemacht werden, um damit später mal Geld zu verdienen. Im Small-Talk scheinen sie oftmals nicht zu interessieren, oder doch? Warum dann diese Frage?

Schon in der Schule hat mich der Gedanke irritiert, man könne sein Leben in einer Tabelle zusammenfassen. Dabei sind doch die Leben der meisten Menschen viel diverser, ungeordneter und bunter als es ein grauer, übersichtlicher Lebenslauf überhaupt abbilden könnte. Der tabellarische Lebenslauf dient den Personalern in den großen Firmen dazu, sich einen schnellen Überblick über eine Person zu verschaffen. Schnell, denn kurzlebig ist die Zeit, in der wir leben, da bleibt nicht viel Zeit, sich mit den Persönlichkeiten auseinanderzusetzen. Deswegen auch ein kurzes, schnelles Gespräch auf Partys. Der Small Talk wurde für mich zur Verkörperung dessen, wie stark der Leistungsgedanke bereits in den Köpfen verankert ist. Small-Talk wurde zu einem persönlichen Feindbild. Ein Feindbild, das in der Frage was-machst-du-so, so unscheinbar daherkommt, und danach penetrant auf den Planungsdruck unserer Leistungsgesellschaft hinweist. „Hast du nach deinem Studium etwa noch keine Pläne? Du muss daran denken, dass du später mal was zu Essen auf den Tisch bringen musst!“ Ganz nach dem Motte: Vergessen Sie bitte nie, dass auch Sie morgen noch etwas leisten müssen. Der Wohlstand unserer Gesellschaft steht auf dem Spiel. Daher wissen Sie am Besten jetzt, was in fünf Jahren ist.

Viele werden sich vielleicht denken, was hat der Typ denn für ein Problem mit dieser Frage. Versteht mich nicht falsch, ich halte es für enorm wichtig, sich Tätigkeiten zu widmen. Ich bin davon überzeugt, dass es am Ende die Taten sind, die uns als Personen definieren. Jedoch wirkt die Frage „Was machst du so“ auf mich zu oft wie ein Schwanzvergleich, um den sozialen Status des Gegenübers abzuchecken. Das finde ich sehr schade. Wie in vielen Dingen, geht es um das Wie. Gegen ein ernst gemeintes Interesse, an dem was jemand beruflich macht, ist natürlich nichts einzuwenden.

Über Lukas Spahlinger:

Lukas umgibt sich gern mit seinen Lieben, gern auf WG-Parties oder Feiereien im Allgemeinen. Smalltalken kann er und machte er früher nicht selten (und er kann sehr viel reden), inzwischen wurde es stiller um ihn herum: Vielleicht, weil er inzwischen Worte lieber aufs Blatt bringt und seine Redekapazitäten somit ausgelastet sind, oder weil er es Leid ist, von Wetter- zu Wetterprognose zu springen, damit jede und jeder was zu sagen hat. Lukas ist ein Freund von klaren Aussagen, von Ehrlichkeit und Humor, ohne dabei die Zwischentöne in sich und von anderen zu überhören. Kreativ sein (in Text und Ton), viel reden, viel denken, Gesellschaftssysteme betrachten und anfragen und verändern und dabei noch ‘ne gute Zeit mit den Freunden und Freundinnen haben, das ist der Plan.

Irgendwo in Bogotá

In der Rush-Hour warte ich an einer Bushaltestelle auf einen kolumbianischen Kommilitonen. Das Zu-Spät-Kommen haben die Kolumbianer im Blut, wie den Rhythmus beim Tanzen (aber das ist eine andere Geschichte).

Ich will es mir also gemütlich machen, deswegen schau ich mich erstmal nach einem Sitzplatz um. Leider warte ich nicht alleine, alle Sitzgelegenheiten mit Blick auf den Busbahnhof sind belegt…außer: ein ca. 40 cm hoher Betonvorsprung direkt an der Straße. Ich setze mich auf den Vorsprung (allemal besser als auf den Boden) und während ich mich noch frage, warum sich noch niemand hierhin gesetzt hat, fährt ein Bus hinter mir vorbei. Innerhalb von Millisekunden umgibt mich eine Rauchwolke. Geräuchert wie ein Schinken, spring ich auf.

Ach, deswegen hat sich hier niemand hingesetzt. Eine Staubpartikelverordnung würde Kolumbien trotzdem nicht schaden.

Eine kleine Klolektüre

Der Gang zur Toilette in Lateinamerika kann durchaus mit Problemen verbunden sein. Manchmal will es einfach nicht laufen. Man sitzt in einem Restaurant, es drückt, man frägt, wo sich denn die Toilette befände. So weit, so gut. Wo dann das Problem liegt? Mit meinen jungen 27 Jahren weiß ich, wie das Geschäft zu verrichten ist. Daran soll es also nicht liegen.

Erstes Problem: Der Lichtschalter! Nie kann ich ihn finden, entweder er befindet sich außen, mal zu weit oben, dann wieder zu weit unten, einmal leuchtete das Klo in rot, als man die Türe schloss. Eine Regel gibt es nicht bzw. sie folgt keiner Logik. Meist muss man fragen. Spätestens jetzt erkennt der Local: „Der ist nicht von hier!“

Zweites Problem: Die Toiletten sind meist für Menschen mit einer Maximal-Größe von 1,75 m gemacht. Tragischer Fakt: „Große Männer“ müssen sich setzen. Da die hygienischen Standards aber meist „beschissen“ sind (andere wiederum sagen, sie seien „bepisst“), bleibt einem meist nichts anderes übrig als demütig den Kopf zu senken. Fun Fact: mit Licht zielt es sich besser (siehe dazu: Erstes Problem). Wie Frauen das durchstehen? Hab noch keine gefragt, sie werden wohl weniger Mitleid mit mir haben.

Drittes Problem: Warum steht da ein Eimer neben dem Klo? Der erfahrene Südamerika-Toiletten-Nutzer weiß, hier wird das Toilettenpapier entsorgt. Der Unerfahrene sorgt für Verstopfung. Hilfreiches Wissen also…