Was machst du so?

Es ist die Small-Talk-Einstiegs-Frage Nummer Eins: Was machst du so? Eigentlich kann ich diese Frage nicht mehr hören. Sie erinnert mich immer wieder daran, dass ich etwas tun sollte und das, während sozialen „Happenings“, wenn ich von all dem Stress abschalten möchte, der mich im Alltag begleitet. Warum zum Teufel hat sich diese Frage als Gesprächseinstieg eingebürgert?

Manchmal kommt es mir vor, als wäre der Grund die Frage zu stellen, Teil des ständigen Vergleichens mit Anderen, des alltäglichen Wettbewerbs, zu sein. Ich fühle mich dann an eine Bewerbungsgesprächssituation erinnert, in der die Gesprächspartner wissen wollen, was in meinem Lebenslauf steht. Vielleicht sollte ich ab jetzt immer ein paar Kopien meines Lebenslaufes bei Partys dabei haben, um ihn auf die Frage einfach aushändigen zu können. Aber das würde der Sache nicht gerecht, weil auch diese Frage ein Einstieg in schöne Unterhaltungen sein kann. Wenn man sich nicht kennt, ist es zudem hilfreich eine Einstiegsfrage für Gespräche zu haben, als Absicherung. Wenn Interesse für sein Gegenüber besteht, entwickelt sich schon ein Gespräch. Wenn es schlecht läuft, spricht man halt eine Weile über das Wetter. Da hat jeder eine Meinung.

So lasse ich mich meist aus Neugierde auf das Small-Talk-Spiel ein. No risk, no fun, oder besser: No Small-Talk, no Talk at all. Grundsätzlich spricht auch nichts gegen diese Frage, denn sie interessiert sich für das Gegenüber. Sie will wissen, mit wem gesprochen wird und was diese Person mit seinem Leben anstellt. Zum anderen ist es eine sehr offene Frage, was dem Antwortenden die Möglichkeit lässt über alles zu sprechen, was ihn beschäftigt. Meist bleibt die Frage was-machst-du-so nur selten allein, sie wird verfolgt von der Frage und-danach. Small-Talk hinterlässt bei mir leider zu oft den Eindruck, dass er den Lebensplan Arbeitswelt zu stark in den Blick nimmt. Ohne Zweifel füllt das „Machen“ einen wichtigen Teil des Lebens der Meisten aus, doch lässt sich mein Leben (gottseidank) nicht nur auf mein Studium oder irgendwelche Praktika begrenzen. Ich habe Hobbies und Leidenschaften, denen ich meist lieber nachgehe als Texte für die Uni zu lesen. Ich habe Träume und Ansichten, aus denen ich neue Ideen schöpfe und die meine Zukunftspläne unentwegt umkrempeln. Es gibt so vieles: Was ist mit Freunden, Familie und Kindern? Was ist mit Genießen und Reisen? Was ist mit all den Lebensplänen, die nicht gemacht werden, um damit später mal Geld zu verdienen. Im Small-Talk scheinen sie oftmals nicht zu interessieren, oder doch? Warum dann diese Frage?

Schon in der Schule hat mich der Gedanke irritiert, man könne sein Leben in einer Tabelle zusammenfassen. Dabei sind doch die Leben der meisten Menschen viel diverser, ungeordneter und bunter als es ein grauer, übersichtlicher Lebenslauf überhaupt abbilden könnte. Der tabellarische Lebenslauf dient den Personalern in den großen Firmen dazu, sich einen schnellen Überblick über eine Person zu verschaffen. Schnell, denn kurzlebig ist die Zeit, in der wir leben, da bleibt nicht viel Zeit, sich mit den Persönlichkeiten auseinanderzusetzen. Deswegen auch ein kurzes, schnelles Gespräch auf Partys. Der Small Talk wurde für mich zur Verkörperung dessen, wie stark der Leistungsgedanke bereits in den Köpfen verankert ist. Small-Talk wurde zu einem persönlichen Feindbild. Ein Feindbild, das in der Frage was-machst-du-so, so unscheinbar daherkommt, und danach penetrant auf den Planungsdruck unserer Leistungsgesellschaft hinweist. „Hast du nach deinem Studium etwa noch keine Pläne? Du muss daran denken, dass du später mal was zu Essen auf den Tisch bringen musst!“ Ganz nach dem Motte: Vergessen Sie bitte nie, dass auch Sie morgen noch etwas leisten müssen. Der Wohlstand unserer Gesellschaft steht auf dem Spiel. Daher wissen Sie am Besten jetzt, was in fünf Jahren ist.

Viele werden sich vielleicht denken, was hat der Typ denn für ein Problem mit dieser Frage. Versteht mich nicht falsch, ich halte es für enorm wichtig, sich Tätigkeiten zu widmen. Ich bin davon überzeugt, dass es am Ende die Taten sind, die uns als Personen definieren. Jedoch wirkt die Frage „Was machst du so“ auf mich zu oft wie ein Schwanzvergleich, um den sozialen Status des Gegenübers abzuchecken. Das finde ich sehr schade. Wie in vielen Dingen, geht es um das Wie. Gegen ein ernst gemeintes Interesse, an dem was jemand beruflich macht, ist natürlich nichts einzuwenden.

Über Lukas Spahlinger:

Lukas umgibt sich gern mit seinen Lieben, gern auf WG-Parties oder Feiereien im Allgemeinen. Smalltalken kann er und machte er früher nicht selten (und er kann sehr viel reden), inzwischen wurde es stiller um ihn herum: Vielleicht, weil er inzwischen Worte lieber aufs Blatt bringt und seine Redekapazitäten somit ausgelastet sind, oder weil er es Leid ist, von Wetter- zu Wetterprognose zu springen, damit jede und jeder was zu sagen hat. Lukas ist ein Freund von klaren Aussagen, von Ehrlichkeit und Humor, ohne dabei die Zwischentöne in sich und von anderen zu überhören. Kreativ sein (in Text und Ton), viel reden, viel denken, Gesellschaftssysteme betrachten und anfragen und verändern und dabei noch ‘ne gute Zeit mit den Freunden und Freundinnen haben, das ist der Plan.

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